Dienstag, 27. Juli 2021

Auftakt zur 12. Fastenaktion bis zum Abzug der Atombomben aus Deutschland - Dokument: Friedensgottesdienst in der Neuen Kirche zu Emden, am Sonntag, den 25. Juli 2021; Aufruf zum Internationalen Fasten

Predigt in der Neuen Kirche zu Emden

 

Foto: Lothar Eberhadt

Gott gebe uns viele Gnade und Frieden durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn. (2 Petr 1,2) Amen

 

Jh 14,27 – (Lutherbibel 2017)
Jesus sagt: Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

       liebe geschwister Jesu, 

       wir, als geschwister Jesu,

       bergen einen – allzuoft – unentdeckten schatz

 

 

manchmal – leider oft in notzeiten – tritt er hervor,

tröstet und ermutigt

 

ansonsten wird dieser schatz als ein gut

unter ferner-liefen betrachtet

 

es geht um nicht mehr und nicht weniger

als den frieden:

 

denn die junge christengemeinschaft

hatte nach dem tod Jesu zweifaches entdeckt:

 

(1)

- keiner hatte in zweifel gezogen, dass Jesus wirklich gestorben war, hingerichtet von der römischen obrigkeit am kreuz

dennoch machten sie die erfahrung: er ist lebendig zwischen ihnen

 

 

was sie von ihm gelernt und erlebt hatten, die botschaft der nähe gottes in der liebe

das war so frisch und lebendig, dass sie entdeckten:

 

sie selbst sind sein leib – sie bilden ihn als sein leib:

wer auch immer für die botschaft Jesu eintritt: da ist auferstehung, der sieg der liebe Jesu über den tod

 

da wird in der gemeinde Jesu gefeiert:

die überwindung des bösen durch das gute

 

- eine entdeckung, die die christenheit bis heute ermöglicht und die wir

in jedem gottesdienst neu feiern, sonst wäre kein christlicher gottesdienst möglich

 

(2)

die andere entdeckung wird in einem der späteren briefe auf den punkt gebracht. dort heißt es:

„Christus Jesus ist unser Friede“ (Eph 2,14)

 

sie haben entdeckt, was es mit dem frieden auf sich hat:

der friede ist ein mensch! der friede hat ein gesicht, ein antlitz! der friede ist personal!

 

Jesus von nazareth ist die antwort auf die frage „wo finde ich frieden;

lautet die frage „Was ist Friede?“, bleibt die antwort stumm; wird gefragt „wer ist friede?“: erklingt: Jesus ist der friede

 

*

 

was genau hat die junge gemeinde damals entdeckt?

Jesus verkündete die nähe von gottes reich, von gottes neuer welt

 

die gute welt gottes erschien in der nähe Jesu auf einmal nicht mehr fern

wonach sich menschen sehnen, ihr hunger nach leben, sogar das ende des hungers selbst

 

das war durch ihn auf einmal möglich:

- indem menschen erweicht wurden zu teilen,

- ihre augen, die blind füreinander waren,

- geöffnet wurden, die hände, die in die eigenen taschen arbeiteten, sie öffneten sich für das wohl des menschen zunächst von mir:

 

Jesus lebte es, gab beispiele, begründete sie und menschen tat es ihm nach und konnten erleben:

das ist ja unglaublich: was für eine befreiung!

 

kranke wurden nicht mehr gemieden, weil das leid nicht mehr als gottesferne galt, sondern sie verstanden: im leid ist gott ganz nah, wie könnten wir sonst leiden, hätten wir keine liebe!

kinder wurden aufgenommen, die als ausgesetzte das straßenbild beherrschten, denn erwachsene begriffen: gottes neue welt fängt jetzt an, wenn bedürftige schutz und trost erhalten

 

 selbst die feinde, die römischen besatzer, mussten erstaunt feststellen: hier hat einer nichts gegen sie als menschen,

seine feindesliebe durchdringt panzer und orden und bringt menschen miteinander zur gemeinschaft, die sich zuvor spinnefeind waren und immer neue gründe für ihren hass aufeinander entdeckten

 

jetzt entdeckten sie: der hass hatte keinen grund außer den, den hass am leben zu erhalten, dem tod zu dienen

das leben aber nährt leben, liebe nährt liebe, feindesliebe überwindet feindschaft

 

friede ist kein fremdwort mehr

Jesus hat es aufgezeigt: sie begriffen: durch ihn wird es menschenmöglich

 

zugleich begriffen sie: nicht als menschliche macht -,

sondern bei Jesus ist gottes gegenwart: die nähe von gottes reich

 

wo Jesus unter den menschen lebendig ist,

da ist er selbst, da ist auch der friede

 

der friede, liebe geschwister Jesu, der friede hat seitdem

einen ort: in der gemeinde des juden Jesus

 

*

 

Lothar Eberhardt aus berlin und Serge Levillayer vom mont saint michel, frankreich, Horst-Peter Rauguth, in Saarbrücken, und ich,

 

Serge Levillayer in Emden, Foto: Lothar Eberhardt

 

wir fasten bis zum abzug der atomwaffen der vereinigten staaten von amerika aus deutschland, büchel, in diesem Jahr von heute abend an – so gott will und wir leben – bis zum 9. August, dem nagasaki-gedenktag

 

es ist das 12. mal, dass dieses öffentliche fasten stattfindet

warum ein fasten?

 

von Simone Weil stammt folgendes:

„Nur das Gleichgewicht vernichtet die Gewalt. Weiß man, wodurch das Gleichgewicht der Gesellschaft gestört ist, so muss man sein Möglichstes tun, um der zu leichten Schale ein Gewicht hinzufügen.“
(Schwerkraft und Gnade, München 1981, S. 224)

 

atomwaffen sind das äußerste an gewalt

sie leben von einem gewaltglauben der sich für allmächtig hält

 

dieser allmacht entspricht die ohnmacht, die die atomwaffen erzeugen, nichts soll die atomwaffen aufhalten können, ihre existenz allein, soll schrecken erzeugen, sonst könnten sie nicht abschrecken

sowohl der allmachtswahn – als auch die dadurch produzierte ohnmacht, beides ist menschenunwürdig

 

es verletzt zutiefst die begrenztheit des menschen, die ihren grund in der schönheit seiner bedürftigkeit hat: kein mensch soll ohne einen anderen menschen auskommen müssen

und es verletzt die gaben des menschlichen, die uns gegeben sind, das zusammenleben zu meistern

 

allmachtsvorstellungen sind gotteslästerlich, sind hybris,

ohnmachtsproduktion ist menschenschänderisch, ein verbrechen an der menschheit

 

diese ohnmacht, die die atomwaffen bewirken,

bringen wir mit dem fasten auf die straße, setzen sie der öffentlichkeit aus

 

indem wir auf nahrung verzichten und auf das, was  massen anzieht, geben wir zugleich ein zeichen für die millionen von menschen die immer noch, jeden tag, nicht auf ihre kosten kommen – meistens von uns nicht gesehen –

weil tag für tag millionen für rüstung und atombomben und ihre unterstützungssysteme ausgegeben werden

 

das geschäft des todes wird für lukrativer gehalten

als der erhalt des lebens

 

mit dieser öffentlich gemachten ohnmacht

wollen wir auf die gewissen einwirken:

 

die gewissen der bürger: mehr dafür zu tun, dass die atomwaffen abgeschafft werden, denn es liegt an der bundesregierung, die sich weigert, diesen schritt zu tun, obwohl die mehrheit der bevölkerung es befürwortet

und auf die gewissen der soldaten, ihrem gewissen zu folgen und ihren vorgesetzten zu erklären, dass sie mit atombomben nichts zu tun haben wollen

 

mit diesem fasten folgen wir Jesus, der den jüngern, als sie bei einer nicht ganz alltäglichen herausforderung ziemlich ratlos waren und ihre ohnmacht erlebten und Jesus fragten, was sie denn hätten tun sollen,

antwortete: hier hilft nur beten und fasten (Mk 9,29; Mt 17,20 jüngere Überlieferung).

 

wir verstehen dies öffentliche fasten

als ein zeichen des friedens – für eine welt ohne den schrecken der atomwaffen, für ein atomwaffenfreies deutschland und europa

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahrt eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen. (Phil 4,7)

 

*

 




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