Am Flughafen Narita angekommen erledigte ich die Einreiseformalitäten und Notwendigkeiten. Ausgestatet mit Yen und einem japanischen Mobiltelefon fuhr ich mit einem Shuttlebus zum Bahnhof Tokyo. Dort erwartete mich Tatsushi.
An das japanische Klima muss ich mich gewöhnen. Als ich aus dem Flugzeug ausstieg fühlte ich mich, wie wenn ich ein Tropenhaus betrete. Im Bus, wieder die kühle Luft der Klimaanlage, dann zurück in die schwüle Hitze. Der Tag ein ständiges Wechselbad.
Ich kenne Tatsuhsi vom Versöhungsbundtreffen in Konstanz,
dort hatten wir gemeinsam einen Workshop zu nuklearer Abrüstung und Atomwaffen
gehalten. Er fuhr mit mir zum Museum des „Fünften Drachen“. Es war kein Ausflug
in die Japanische Mystik, sondern in die Geschichte der Atomtests. Der „Fünfte
Drachen“ ist der Name eines Japanischen Fischerbootes. Es war zum Thunfischfang
unterwegs als 1954 der Bikni-Atomtest durchgeführt wurde. Die Fischer befanden
sich in öffentlichem Gewässer ohne jede Vorwarnung. Sie sahen einen hellen
Blitz, hörten lautes Grollen und Staub regnete auf ihr Schiff. Der „tödliche
Staub“ wie er später genannt wurde, stammte von den Korallenriffen, die durch
den Test zerstört wurden. Aufgrund seiner Radioaktivität erkrankten die
Fischer. Die USA gab den Japanern keinerlei Informationen über die Bombe für
die medizinische Behandlung der Fischer. Der gefangene Thunfisch wurde
entsorgt, das Boot landete auf einem Müllplatz. Eine Bürgergruppe engagierte
sich und bewegte die Stadt Tokyo dazu im Hafengelände ein Museum einzurichten.
Montags haben Museen eigentlich zu. Die Sekretärin Frau Mari Ichida öffnete
jedoch das Museum für uns und Direktor Kazuya Yasuda lud zum Tee ein.
Vom Museum fuhren wir zum Parlament. Dort begann im Oberhaus die Debatte über neue Sicherheitsgesetze. Auf der Rückseite vor den Büros der Abgeordneten stießen wir auf eine Mahnwache. Im Artikel 9 verbietet die japanische Verfassung der Regierung die Kriegsführung. Japan darf keine Boden, See oder Luftstreitkräfte aufstellen. Diesen pazifistischen Grundsatz will Ministerpräsident Abe abschaffen. Zur Zweidrittelmehrheit für eine Verfassung reicht es nicht, deswegen sollen die neuen Gesetze diesen Grundsatz aufweichen. Nach dem Korea-Krieg wurden Selbstverteidigungskräfte aufgestellt. Diese sollen nun auch im Ausland zur Verteidigung japanischer Interessen eingesetzt werden dürfen. Nach jüngsten Umfragen lehnen etwa 60 Prozent der Bürger die Sicherheitsgesetze ab. Die Opposition verließ aus Protest das Parlament und nahm an der Abstimmung nicht teil. Die Demonstranten trommelten für die Erhaltung des Artikels 9.
Tatsushi hatte für mich einen Gesprächstermin im Büro des Abgeordneten Shoichi Kondo organisiert. Er war früher stellvertretender Umweltminister und ist Mitglied bei PNND. An der Sicherheitskontrolle musste ich mein Taschenmesser abgeben und Tatsushi seinen Anhänger zum Artikel 9 in die Tasche stecken, so dass er nicht mehr sichtbar ist.
Mit seinem Sekretär Masato Tomabechi tauschte ich mich über den deutschen Atomausstieg, nukleare Abrüstung und die aktuelle Auseinandersetzung im Parlament aus. Das Oberhaus hat jetzt 60 Tage Zeit zur Entschlussfassung.
Wir fuhren dann zu Tatsushi nach Hause. Er erläuterte, dass die Aufweichung der pazifistischen Grundsätze bereits mit dem Koreakrieg angefangen hätte. In der Debatte würde der „nukleare Schutzschirm der USA“! völlig ausgeblendet.
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