Hildegard Rugenstein
Pastorin
Französisch-Reformierte Gemeinde Potsdam
Pastorin
Französisch-Reformierte Gemeinde Potsdam
Nach dem Friedensgebet After the Peace Prayer |
Hildegard Rugenstein takes part in the fasting. Here are some thoughts, why.
With the Workcamp we have visited her. And with the fasters we participated in a peace worship in the French Reformed congregation.
"Wir fasten solange es Atomwaffen in unserm Land gibt, jedes Jahr einen
Tag mehr."
Das hat mich in der Tiefe getroffen und spontan motiviert - da mache ich mit, sofort! Die Voraussetzungen waren gut: ich wollte sowieso abnehmen - mit Fastenwochen geht das am leichtesten. Jetzt ist schon die Halbzeit erreicht, es fällt mir leicht, ich werfe Stressbalast und viele Ablenkungen nebenbei mit über Bord. Es ist meine einfachste Fastenzeit nach 20 Jahren Fastenerfahrung. Ich erzähle es in der Familie und in der Gemeinde und will Multiplikatorin für dieses Alltagszeichen sein. Das Kennenlernen der Gruppe vom Versöhnungsbund, das Wissen um die Gemeinsamkeit in diesen Tagen, macht es verbindlicher und leichter. Die Vorfreude auf die Zeit nach dem Fasten wird immer größer. Zufällig wird es der Tag sein, an dem meine beiden Enkelkinder aus der Schweiz zu Besuch kommen. Sie sind Halbphilippinas. Die Welt und Weltgeschichte am Küchentisch der Großfamilie.
Kindheitserinnerung:
Vietnamkrieg. "Du hast gute Freunde, du bist nicht allein" sangen wir im Refrain. Das Lied eines Mädchens aus Vietnam: "Vater ist im Dschungel, lang ist Mutter tot. Lie, die kleine Schwester, starb im Morgenrot. Dien, mein großer Bruder, sag, wo magst du sein... du hast gute Freunde, du bist nicht allein." Die Fotos, die ganz schrecklichen vom Krieg, hat man uns nicht gezeigt, aber die Nachrichten erzählt aus der anderen Welt da draußen hinter der Mauer, in der Kriege noch erlaubt und gewollt waren. Ich sang dieses Lied mit einer Schulfreundin aus dem Chor, zweistimmig, vor dem großen Fahnenappell. Es war absolut still. Die staunende, fragende Stille der Kinder und Lehrer kam zum Teil durch das ernste, reale Thema, und zum Teil, weil eine Pfarrerstochter ohne Pioniertuch vorne stand und Solo singen durfte. Mit gesellschaftlichen Themen und Spannungen bin ich groß geworden.
Caputh: Albert Einstein
Ich komme aus Caputh bei Potsdam. Albert Einstein hat dort vier Jahre im Sommer gelebt, das Segeln, den Ausblick und den Wald genossen, wie wir später auch. Mathe, Physik, Kernspaltung gehörten seit Schulbeginn als Thema im Alltag immer dazu. Irgendwann verstand ich die Zusammenhänge.
Gorbatschowzeit:
"Europa hatte zweimal Krieg, der dritte wird der letzte sein" sangen unsere kleinen Kinder schon, weil wir Eltern so oft das Lied hörten. Wendezeit, Sorge um den Weltfrieden - klar in Potsdam so dicht neben Westberlin, wir wohnten ganz nahe der Bomben und Raketen auf beiden Seiten, wir wussten das.
Ein Plakat aus der Friedensbewegung hat mich besonders geprägt, es hing lange an der Wohnungstür als Bekenntniszeichen: ein dicker Garbenstrauß aus Getreide - Erntezeit Anfang August - goldgelb, sah schon so schön aus wie Erntedankfest, blauer Himmel und daneben deutlich kleiner, nicht aufdringlich, aber ein Hingucker, schwarz weiß das Foto vom Atompilz in Hiroshima in ganz ähnlicher Form wie die Garbe. Grusel. Welcher Friedensspruch daneben stand, habe ich vergessen, fasten war es wohl nicht.
9. November:
Seit Jahrzehnten wird in unserer Gemeinde der Gedenktag der Pogromnacht mit der Estergeschichte aus der Bibel verbunden. Kinder, Jugendliche und Erwachsen spielen das Stück Jahr für Jahr, irgendwann merken die Jugendlichen, was für einen ernsten Hintergrund wir mit der deutschen Geschichte dazu haben. 9.11.1938.
In der Bibel bittet Ester um solidarischen Fasten: Ester 4,16: "Geh, versammle alle ...die zu finden sind, und fastet um meinetwillen: Drei Tage lang sollt ihr nichts essen und nichts trinken, weder in der Nacht noch am Tag. Ebenso werde auch ich mit meinen Dienerinnen fasten. Danach aber werde ich zum König hineingehen, auch wenn es nicht dem Gesetz entspricht. Und wenn ich umkomme, so komme ich um!"
Diese Szene ist in dem Theaterstück besonders berührend. Ester ringt um ihr Leben, die Dienerinnen hocken sich mit auf den Boden, beten, streicheln sanft ihre Schultern, stärken ihr den Rücken. Und dann geht Ester erfrischt, erleichtert, wie neugeboren zum König mit dem Risiko, ihr Leben für ihr Volk zu lassen.
Heute:
Neue Themen von Gewalt. Wir lernen unfreiwillig viel Neues und haben fast vergessen, dass es immer noch Atomwaffen in unserer Nähe gibt.
Gegen die Atomwaffen ein so persönliches Zeichen zu setzen, ist bei mir jetzt dran.
Nebenbei merke ich: Fasten macht ehrlich. Fasten befreit von Falschem. Fasten erleichtert ;-)
Das hat mich in der Tiefe getroffen und spontan motiviert - da mache ich mit, sofort! Die Voraussetzungen waren gut: ich wollte sowieso abnehmen - mit Fastenwochen geht das am leichtesten. Jetzt ist schon die Halbzeit erreicht, es fällt mir leicht, ich werfe Stressbalast und viele Ablenkungen nebenbei mit über Bord. Es ist meine einfachste Fastenzeit nach 20 Jahren Fastenerfahrung. Ich erzähle es in der Familie und in der Gemeinde und will Multiplikatorin für dieses Alltagszeichen sein. Das Kennenlernen der Gruppe vom Versöhnungsbund, das Wissen um die Gemeinsamkeit in diesen Tagen, macht es verbindlicher und leichter. Die Vorfreude auf die Zeit nach dem Fasten wird immer größer. Zufällig wird es der Tag sein, an dem meine beiden Enkelkinder aus der Schweiz zu Besuch kommen. Sie sind Halbphilippinas. Die Welt und Weltgeschichte am Küchentisch der Großfamilie.
Kindheitserinnerung:
Vietnamkrieg. "Du hast gute Freunde, du bist nicht allein" sangen wir im Refrain. Das Lied eines Mädchens aus Vietnam: "Vater ist im Dschungel, lang ist Mutter tot. Lie, die kleine Schwester, starb im Morgenrot. Dien, mein großer Bruder, sag, wo magst du sein... du hast gute Freunde, du bist nicht allein." Die Fotos, die ganz schrecklichen vom Krieg, hat man uns nicht gezeigt, aber die Nachrichten erzählt aus der anderen Welt da draußen hinter der Mauer, in der Kriege noch erlaubt und gewollt waren. Ich sang dieses Lied mit einer Schulfreundin aus dem Chor, zweistimmig, vor dem großen Fahnenappell. Es war absolut still. Die staunende, fragende Stille der Kinder und Lehrer kam zum Teil durch das ernste, reale Thema, und zum Teil, weil eine Pfarrerstochter ohne Pioniertuch vorne stand und Solo singen durfte. Mit gesellschaftlichen Themen und Spannungen bin ich groß geworden.
Caputh: Albert Einstein
Ich komme aus Caputh bei Potsdam. Albert Einstein hat dort vier Jahre im Sommer gelebt, das Segeln, den Ausblick und den Wald genossen, wie wir später auch. Mathe, Physik, Kernspaltung gehörten seit Schulbeginn als Thema im Alltag immer dazu. Irgendwann verstand ich die Zusammenhänge.
Gorbatschowzeit:
"Europa hatte zweimal Krieg, der dritte wird der letzte sein" sangen unsere kleinen Kinder schon, weil wir Eltern so oft das Lied hörten. Wendezeit, Sorge um den Weltfrieden - klar in Potsdam so dicht neben Westberlin, wir wohnten ganz nahe der Bomben und Raketen auf beiden Seiten, wir wussten das.
Ein Plakat aus der Friedensbewegung hat mich besonders geprägt, es hing lange an der Wohnungstür als Bekenntniszeichen: ein dicker Garbenstrauß aus Getreide - Erntezeit Anfang August - goldgelb, sah schon so schön aus wie Erntedankfest, blauer Himmel und daneben deutlich kleiner, nicht aufdringlich, aber ein Hingucker, schwarz weiß das Foto vom Atompilz in Hiroshima in ganz ähnlicher Form wie die Garbe. Grusel. Welcher Friedensspruch daneben stand, habe ich vergessen, fasten war es wohl nicht.
9. November:
Seit Jahrzehnten wird in unserer Gemeinde der Gedenktag der Pogromnacht mit der Estergeschichte aus der Bibel verbunden. Kinder, Jugendliche und Erwachsen spielen das Stück Jahr für Jahr, irgendwann merken die Jugendlichen, was für einen ernsten Hintergrund wir mit der deutschen Geschichte dazu haben. 9.11.1938.
In der Bibel bittet Ester um solidarischen Fasten: Ester 4,16: "Geh, versammle alle ...die zu finden sind, und fastet um meinetwillen: Drei Tage lang sollt ihr nichts essen und nichts trinken, weder in der Nacht noch am Tag. Ebenso werde auch ich mit meinen Dienerinnen fasten. Danach aber werde ich zum König hineingehen, auch wenn es nicht dem Gesetz entspricht. Und wenn ich umkomme, so komme ich um!"
Diese Szene ist in dem Theaterstück besonders berührend. Ester ringt um ihr Leben, die Dienerinnen hocken sich mit auf den Boden, beten, streicheln sanft ihre Schultern, stärken ihr den Rücken. Und dann geht Ester erfrischt, erleichtert, wie neugeboren zum König mit dem Risiko, ihr Leben für ihr Volk zu lassen.
Heute:
Neue Themen von Gewalt. Wir lernen unfreiwillig viel Neues und haben fast vergessen, dass es immer noch Atomwaffen in unserer Nähe gibt.
Gegen die Atomwaffen ein so persönliches Zeichen zu setzen, ist bei mir jetzt dran.
Nebenbei merke ich: Fasten macht ehrlich. Fasten befreit von Falschem. Fasten erleichtert ;-)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen