Dienstag, 26. Juli 2022

Hoffnungsgrund Sandesneben und die Atomwaffenflüchtlinge - 2. Fastentag 25./26. Juli 2022

Die Fastenaktion in Sandesneben vor der mongolischen Jurte mit Dr. Jonathan Johannes Düring

Mitten in der schleswig-holsteinischen Endmoränenlandschaft liegt unweit einer evangelischen Kirche ein Pastorat, das nach über 100 Jahren nach seiner Errichtung seit einiger Zeit nun seine wahre Aufgabe gefunden hat: Ein Zentrum für Kirchenasyl für ganz Deutschland. Zu Unrecht von Abschiebung bedrohten Menschen, denen Kirchengemeinden ein Kirchenasyl aussprechen wollen, aber nicht wissen, wie sie dies auf würdige Weise in die Tat umsetzen können, sind eingeladen, hierher zu kommen. Solch ein Kirchenasyl kann wenige Wochen, aber auch sechs Monate, unter bestimmten Umständen sogar 18 Monate währen. Das ist eine besondere Herausforderung für alle.

Dieser Herausforderung haben sich Alexandra Harloff-Düring und Dr. Jonathan Johannes Düring gestellt. Sie gründeten den Verein "Hoffnungsgrund". Seit 2014 betreuen sie dieses Zentrum in Sandesneben und erfüllen es mit Leben. Inzwischen haben über 100 Flüchtlinge von dieser Einrichtung profitiert. Aber auch das Ehepaar Düring hat reichlich profitiert. Ein Buch vergegenwärtigt mit zahlreichen Bildern pars pro toto alle, die in diesem Haus vorübergehend eine neue Bleibe fanden.

Zu jeder und zu jedem wissen die Beiden z. T. herzergreifende Geschichten zu erzählen. Da ist die jesidische Familie, die nach dem Ende des Kirchenasyls nach Augsburg zurück muss, aber nicht weiß, wohin, Dürings fahren mit und begleiten sie. Die frühere, von der Stadt zugewiesene Unterkunft war für die Familie eine Qual und unerträglich. Die verantwortliche Mitarbeiterin der Stadt hat ein Einsehen. In Augsburg angekommen nagt der Hunger und gemeinsam steuern sie eine Dönerbude in der Nähe an. Wie es sich ergibt, stellen sie fest, dass der Betreiber auch Jeside ist und bezieht sie in sein langjähriges Netzwerk vorbehaltlos mit ein.

Mittlerweile hat sich die Arbeit in Sandesneben wesentlich erweitert. Für die Kinder der Flüchtlinge musste ein Kindergarten her. Gebäude standen dafür nicht mehr zur Verfügung. Also wurde ein Garten-Kindergarten entworfen und als Aufenthaltsort für die Kinder eine mongolische Jurte erworben, die mit ihrem eigentümlichen Reiz mitten auf der Wiese vorm Haupthaus steht.

Ukrainische Flüchtlinge, Mütter mit ihren Kindern, kamen hinzu. Um es ihnen zu ermöglichen, Deutsch zu lernen, wurde die Kinderbetreuung erweitert. Eine Frauengruppe trifft sich regelmäßig, zu der auch einheimische Frauen hinzu kommen. Regelmäßig finden Feste statt und wird auch und gerade gegen den Tod – der Ehepartner einer Ukrainerin starb als Soldat in der Ukraine - die Leidenschaft für das Leben gefeiert.

Diese und andere Niederlagen und Enttäuschungen müssen verkraftet werden, etwa wo viel Kraft und Zeit investiert worden ist und Menschen einen anderen als den erhofften oder erdachten Weg einschlagen. „Aber sind das nicht vielleicht auch notwendige Ent-Täuschungen“, meint Johannes Düringer, „man hat eine Täuschung weniger?“ „Wie steht es mit der Integration?“, fragt Alexandra Harloff-Düringer. „Ist damit nicht de facto Assimilation gemeint? Und wie gelingt es in eine Balance zu finden, was die Gesellschaft von den Flüchtlingen erwartet und was diese selbst für sich als gut und notwendig empfinden?“ Hier tut sich ein Thema auf, dessen Ausmaße wohl noch nur von wenigen ermessen worden sind. Ich höre von dem Buchtitel „Das Integrationsparadox“ von Aladin El-Mafaalani. Ein Thema für das Ökumenische Institut Friedenstheologie?

Doch was hat die Flüchtlingsaufgabe mit Atomwaffen zu tun? Zum Ende des Zweiten Weltkrieges hatten amerikanische und sowjetische Spezialkräfte die wissenschaftliche Eliten des deutschen Uran-Projektes gekidnappt. Trotzdem waren die Vereinigten Staaten von Amerika die ersten und die einzigen, die in der Lage waren, Atombomben zu bauen. Doch sie waren nur kurze Zeit im alleinigen Besitz über die wissenschaftlichen Voraussetzungen sowie Technik und Herstellung von Atomwaffen. Verrat verschaffte die Sowjetunion gleichfalls in den Besitz von Atombomben. Im Zuge des Kalten Krieges ermöglichten die Vereinigten Staaten von Amerika England und Frankreich ebenfalls in den Besitz von Atomwaffen zu kommen und sie selber herstellen zu können. Die Vereinigten Staaten von Amerika und vor allem Frankreich ihrerseits rüsteten Israel und später Pakistan und Indien mit dem Know-how aus, eigene Atomwaffen zu besitzen. Und dies, auch nachdem sie den Nichtverbreitungsvertrag von Atomwaffen unterschrieben hatten. Sie wissen also, wie es möglich ist an öffentlichen Kontrollen vorbei ein Land mit Atomwaffen auszurüsten. Was man selber tut, wird bei anderen besonders gern gesehen. Der Vorwurf Irak unter Saddam Hussein sei im Besitz von Atomwaffen, war der erlogene Vorwand, Irak anzugreifen und eine Vielzahl seit langer Zeit gewachsene gesellschaftliche und politische Strukturen des Landes zu zerstören, u. a. indem auf einen Schlag die gesamte Irakische Armee ohne berufliche Alternativen für die Soldaten entlassen wurde. Gerade die Offiziere der irakischen Armee waren Laizisten. Dennoch war diese Demütigung der Anlass, sich zu radikalisieren und das zu schaffen, was als „Islamischer Staat“, IS, bekannt wurde. In Irak konnten sie keinen Fuß fassen, aber mitten im syrischen Bürgerkrieg in der Grenzregion von Irak und Syrien und später in Syrien. Der Westen unterstützte diejenigen, die gegen den IS kämpften mit Know-How und Waffenlieferungen und die Vereinigten Staaten von Amerika auch mit eigenen Truppen. Russland griff auf Seiten von Assad in den Krieg ein. Gegen die IS vereint gelang es beiden Seiten die IS fast vollständig zu besiegen. Aber der Krieg zwang Tausende von Familien zur Flucht. Die Flüchtlingslager in Jordanien und Libanon waren überfüllt und so suchte man über Türkei einen Weg nach Europa, bis Deutschland 2015 etwa eine Million syrischer Flüchtlinge aufnahm.

Der ukrainische Präsident W. Selenskyj trug entscheidend zur Eskalation des Konfliktes mit Russland bei, als er am 19. Februar 2022 auf der Münchner sogenannten Sicherheitskonferenz vortrug, dass die Ukraine sich vorstellen könnte in den Besitz von Atombomben zu gelangen zu wollen: „Der ukrainische Präsident stellte einen Ausstieg seines Landes aus dem Budapester Memorandum in den Raum. Ein solcher Schritt würde bedeuten, dass die Ukraine wieder Atomwaffen besitzen könnte. Denn in diesem Abkommen wurde festgelegt, dass die Ukraine eine internationale Garantie ihrer Sicherheit bekäme, wenn sie auf ihren Status als Atommacht verzichtete.“[1] Das war für Putin und seine Herrschaftsriege ein willkommener Anlass, u. a. damit den lang geplanten Krieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen (Putins Rede vom 09. Mai 2022). Die russische Ankündigung, bis zum Ende des Jahres Atomwaffen einsetzen zu wollen ist m. E. Ernst zu nehmen.[2] Ein sofortiger Waffenstillstand mit einer anvisierten Verhandlungslösung (neutrale Ukraine mit Anbindung an die EU nach Schweizer Modell) ist dringender denn je.

Es bleibt zu hoffen, dass die Güte immer wieder Menschen ergreift ihrem Gewissen zu folgen und sich der Androhung und Anwendung von Atomwaffen widersetzen, ganz gleich in welcher Armee. Den Widerstand gegen Atomwaffen als Gebot der Menschlichkeit einzufordern hält diese Hoffnung immer wieder wach. Ist das ein Hoffnungsgrund?

Mit Alexandra Harloff-Düring in Sandesneben

 

 



[2] Akkoyun, Nail: Wladimir Putin kündigt baldigen Einsatz von Atomwaffen an. In: (Bremer) Kreiszeitung vom 07.07.2022, s. https://www.kreiszeitung.de/politik/news-wladimir-putin-ukraine-krieg-atomwaffen-atomraketen-satan-ii-sarmat-grossbritannien-europa-91624791.html - eingesehen am 26. 07.2022

 

 

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